Liebe:r Freund:in,
wir leben in einer Welt voller Erinnerungen. Viele von uns können sich noch gut an Familientreffen erinnern, bei denen alte Fotoalben durchblättert und vertrauten Geschichten gelauscht wurde, die man oft gehört hat. Fotos waren damals kostbar und es gab nur wenige Aufnahmen von besonderen Anlässen, Urlauben oder Ereignissen. Diese wenigen visuellen Fragmente reichten aus, um uns an die Momente davor oder danach zu erinnern. Doch wie viel Wahrheit liegt eigentlich in diesen Erinnerungen?
Erinnerungen verändern sich. Permanent
Erinnerungen sind fragil, sie verändern sich ständig und können auch gezielt verfälscht werden – von uns selbst oder von anderen. Immer wenn wir uns erinnern, wird das selbe Areal im Gehirn aktiviert, mit dem wir uns Dinge vorstellen. Aktuelle Forschungen haben gezeigt, dass manche Erinnerungen bei jedem Abrufen erneut konsolidiert werden müssen. Sie sind in diesem Moment also stark formbar. Wir erinnern uns zwar an eine bestimmte Situation, aber formen die Details, an die wir uns nicht mehr so genau erinnern immer wieder neu. Das bietet auch Angriffsfläche für Beeinflussung und Manipulation. In Studien wurde z.B. Proband:innen erfolgreich eine Erinnerung an eigene Kindheit eingepflanzt, die so überhaupt gar nicht existente.
Diesen Moment noch einmal erleben – sagt Google
Meine Tochter wird morgen zwei Jahre alt. Auch wenn wir uns bemühen, sie möglichst fern von Smartphone und Tablet halten, wächst sie zwangsläufig damit auf. Ich habe mindestens ein Foto pro Tag von ihr auf meinem Gerät. Und wenn nicht, hat meine Frau zusätzlich noch Fotos gemacht. Auch wenn man sich selbst dabei erwischt und sich vor nimmt, es einzuschränken, ist es natürlich andererseits echt schön, sich von vor einem Jahr die Fotos anzuschauen und zu realisieren, wie schnell sie sich verändert. In 16 Jahre wird sie 18 Jahre und hat vermutlich kein Fotoalbum aus ihrer Kindheit, sondern eher eine gesamte Festplatte oder ein Cloudspeicher. Das ist natürlich toll, wer hat nicht gerne süße Kinderfotos oder -videos von sich? Nur kennt nicht nur unsere Familie diese Fotos – Google Fotos schlägt mir täglich die schönsten Erinnerungen vor, anders gesagt: die App weiß auf jeden Fall, was ich letzten Sommer getan habe und zwar sehr genau! Auch das ist vielleicht ein Aspekt, den man akzeptieren muss, solange man nicht sämtliche neuste Technik boykottieren möchte.
Künstliche Intelligenz als Manipulator
Bleiben wir doch beim Beispiel Familietreffen. Da darf das Gruppenfoto nicht fehlen. Aber mal ganz ehrlich – mindestens eine Person guckt weg, hat die Augen zu oder zieht den Bauch nicht im richtigen Moment ein. Kein Problem: Neuerdings haben aktuelle Smartphones auch die Möglichkeit mithilfe von KI, die besten Fotos einer Serie miteinander zu kombinieren. Ein Best-of von “ich mach mal mehrere Fotos” sozusagen. Die Folge: dieser Moment existiert zwar, aber das Foto nicht. Die Gefahren der Manipulation gehen natürlich noch viel weiter. KI-generierte Fotos werden immer realistischer. Wenn wir in zehn Jahren auf unsere “Momente” schauen, welcher ist dann wirklich noch real?
Wie ich diese vielen Aspekte in der Ausstellung berücksichtige, ohne dabei den roten Faden zu verlieren, ist die große Herausforderung. Wenn du noch näher am aktuellen Prozess sein möchtest, folge mir gerne auch auf Instagram.
Danke fürs Lesen!
Kreative Grüße
Roman
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Oktober 2024